In der Marktgemeinderats-Sitzung vom 06.07.2021 wurde folgende Stellungnahme einstimmig beschlossen.
Ablehnung des Juraleitung-Ersatzneubaus
Die Marktgemeinde Essenbach erhebt folgende Einwendungen gegen den geplanten Ersatzneubau der Juraleitung:
1. Unsolidarische Auferlegung der Lasten für die bundesweite Energieversorgung
Die Marktgemeinde Essenbach hat mit den beiden Kernkraftwerken Isar I und Isar II und dem Wasserkraftwerk Altheim bereits seit Jahrzehnten einen wesentlichen Beitrag zur öffentlichen Energieversorgung geleistet. In Zukunft soll der Markt Essenbach mit dem geplanten SuedOstLink erheblich belastet werden. Dabei wird die Gemeinde letztendlich „dafür bestraft“, sich beim SuedOstLink jahrelang konstruktiv verhalten zu haben, anstatt von Anfang an zu blockieren, wie dies in anderen Regionen durchaus der Fall war; so beispielsweise in der Region Grafenrheinfeld. Zunächst waren im Rahmen der Planungen zum SuedOstLInk zwei GW und ein Konverter vorgesehen. Nachdem sich die Marktgemeinde konstruktiv verhalten hat, wurde es ihr damit gedankt, dass die geplante Leitung nun um weitere zwei GW auf vier und einen zusätzlichen Konverter aufgestockt wurde.
Durch den SuedOstLink wird die Gemeinde zudem mit einer Reihe von neuen oder zu ertüchtigenden Stromleitungen belastet, welche die Entwicklung der Marktgemeinde beeinträchtigen. So müssen die Konverter des SuedOstLinks mit Leitungen an den Netzverknüpfungspunkt Isar angebunden werden. Außerdem wird eine neue 380kV-Leitung vom Netzverknüpfungspunkt Isar zum Umspannwerk Altheim gebaut, um den Strom, der durch den SuedOstLink im Gemeindegebiet ankommt, wieder abzuleiten; zusätzlich erfolgt die Aufstockung der Freileitung Altheim-St.Peter. Nach den Erfahrungen mit dem SuedOstLink wird es die Marktgemeinde kein zweites Mal dulden, dass ihre Bürgerinnen und Bürger derart belastet werden. Es kann nicht sein, dass alles in unserer Region abgeladen wird, in dem Glauben, die Menschen im Isartal würden sich nicht dagegen wehren.
2. Verletzung des Wohnumfeldpuffers
Gemäß des Landesentwicklungsprogramms (LEP) Bayern, sollten beim Ersatzneubau von Höchstspannungsfreileitungen erneute Überspannungen von Siedlungsgebieten ausgeschlossen werden. Die Wohnumfeldqualität und die Belange des Orts- und Landschaftsbildes sollen hier besonders berücksichtigt werden. Eine ausreichende Wohnumfeldqualität der betroffenen Bevölkerung ist gemäß LEP dann erreicht, wenn 400 Meter Abstand zu Wohngebäuden (Innenbereich) bzw. 200 Meter (Außenbereich) gegeben sind. Diese Wohnumfeldpuffer sind folglich zu Recht besonders geschützt. Umso schwerer wiegt die Tatsache, dass durch den Juraleitung die Abstände mehrmals unterschritten werden. Vor allem in den Ortschaften Altheim, Mirskofen und Bruckbach wird dieser Wohnumfeldpuffer teils massiv verletzt.
2.1. Altheim und Koislhof
Die Höchstspannungsleitung würde bis zu 120-150 Meter an den Koislhof und an die seit mehr als 20 Jahren bestehende Siedlung an der Wolfgang-Zötl-Straße heranrücken. Zudem ist im Anschluss des Bestands ein neues Baugebiet genau in Richtung der geplanten Trasse in Entwicklung. Dieser Eingriff in unsere Heimat ist unverhältnismäßig.
2.2. Einkesselung der Ortsteil Altheim
Der Ortsteil Altheim ist im Süden von der Autobahn A 92 sowie im Westen und im Nordwesten von der B15alt begrenzt. Einzige Entwicklungsmöglichkeit bietet damit der Nordosten. Genau dort soll aber nun die Juraleitung errichtet werden. Würde man dies zulassen, würde man eine weitere Entwicklung Altheims verhindern, da der Ort dann von Infrastruktur eingekesselt wäre.
2.3. Mirskofen/Pettenkofen/Bruckbach
In Mirskofen würde der Juraleitung direkt auf/über dem Anwesen Am Burgstall 1 verlaufen. Zudem wird der Wohnumfeldpuffer des Ortsteils Bruckbach auf einer Länge von rund 800 Metern durchschnitten. Angeschnitten wir auch der Wohnumfeldpuffer des Ortsteils Pettenkofen.
3. Schädigung des Landschaftsbilds
Die derzeitigen Leitungen weisen im Bereich Altheim eine Höhe von 24 bzw. 25 Metern auf. Die geplanten Masten des Juraleitungs sollen ca. 70 Meter hoch und westlich von Mirskofen und Ginglkofen sowie bei Pettenkofen und Bruckbach auf landschaftsprägenden Höhenrücken errichtet werden. Die Masten würden dadurch Einzelbäume und angrenzende Waldstücke überragen. Damit wäre eine Schädigung des Landschaftsbilds des Isartales, letztendlich der Marktgemeinde Essenbach, verbunden. Die TenneT-Planung widerspricht daher den Vorgaben des LEP Bayern, das festlegt, dass „Freileitungen…insbesondere nicht in schutzwürdigen Tälern und auf landschaftsprägenden Geländerücken errichtet werden“ sollen. In jedem Fall wird seitens des Marktes Essenbach eine Bündelung mit bestehenden Leitungen innerhalb der Marktgemeindegrenzen gefordert, insbesondere in Bruckbach und Altheim gefordert.
4. Schädigung von Biotopen und anderer ökologisch wertvoller Flächen
„Ökologisch bedeutsame Naturräume sollen erhalten und entwickelt werden“ – so schreibt es das Landesentwicklungsprogramm des Freistaates Bayern vor. Die Überlegungen von TenneT widersprechen dem: Die aktuellen Planungen würden direkt in ausgewiesene Biotope eingreifen. Betroffen wäre beispielsweise das Biotop mit der Biotophaupt-Nr. 7339-0123 („Feldgehölz westlich Mirskofen“). Dieses Biotop vom Typ „naturnahe Feldgehölze“ würde komplett vom Juraleitung überspannt . Weiter betroffen wären die Biotope „Baumhecke südwestlich Ginglkofen“ (7339-0099), das Biotop „Feldgehölz östlich Bruckbach“ (7338-0090) sowie die Biotope „Hecken und Altgrasflur entlang der Bahnlinie südwestlich Mirskofen“ (7339- 0131).
Hinzu kommen mehrere weitere ökologisch wertvolle Flächen, die durch das Ökoflächenkataster erfasst sind: Sowohl die Ökofläche mit der Nummer 90619 bei Ginglkofen als auch die Ökoflächen 68356 und 68358 bei Altheim, die vom Juraleitung überspannt würden. In unmittelbarer Nähe der geplanten Leitung wären zudem die Biotope „Feldgehölz westlich Ginglkofen“ (7339-0100), „Hecken südwestlich Ginglkofen“ (7339-0103) und „Hecken entlang der Eisenbahnlinie südöstlich Holzen“ (7339-0133). Des Weiteren würden die wertvollen Habitatstrukturen - von hoher Bedeutung für Vögel oder Fledermäuse in Wäldern - entlang des Möselgrabens und des Taferlwegs bei Mirskofen sowie die beiden Habitate westlich von Ginglkofen entweder direkt von der Juraleitung überspannt oder wären zumindest in unmittelbarer Nähe der Leitung.
5. Zerstörung von Waldgebieten
Neben den bereits erwähnten Biotopen und Ökoflächenkatastern würden ferner mehrere Waldgebiete überspannt werden, was mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Rodung zur Folge hätte. Die betroffenen Waldgebiete westlich von Mirskofen und östlich von Bruckbach stellen örtlich schützenswerte Naherholungsgebiete dar. Dies deckt sich ebenfalls nicht mit dem Landesentwicklungsprogramm, wonach Natur und Landschaft als unverzichtbare Lebensgrundlage und Erholungsraum des Menschen erhalten und entwickelt werden sollen.
6. Eingriff in das Trinkwasserschutzgebiet und das Wasserversorgungsgebiet
Durch für den geplanten Juraleitung wären im Marktgemeindegebiet ca. 22 Masten in den Gebieten notwendig. Neben dem Trinkwasserschutzgebiet Ohu wäre auch ein Vorranggebiet für die Wasserversorgung betroffen. Dieses würde in kompletter Länge entgegen der Fließrichtung des Wassers durchschnitten. Dadurch wäre in der Marktgemeinde Essenbach ein großer Eingriff in den Wasserfluss verbunden.
7. Beeinträchtigung von Bodendenkmälern
Schließlich spricht auch eine Reihe von Bodendenkmälern gegen den Bau des Juraleitung: Die Leitungsmasten würden, je nach genauem Standort, u. a. in Flächen der Bodendenkmäler mit den Nummern D-2-7439-0218, D-2-7339-0068, D-2-7339-0069, D-2- 7339-0054, D-2-7339-0047, D-2-7339-0052, D-2-7339-0057, D-2-7339-0062, D-2-7339- 0051, D-2-7339-0240 und D-2-7339-0241 errichtet werden. Diese Bodendenkmäler sind Zeugnisse unserer Geschichte und Kultur und belegen Siedlungsstrukturen in unserer Heimat aus der Altheimer Gruppe, dem Neolithikum, der Hallstatt-, der Bronze- und der römische Kaiserzeit. Diese Zeugnisse sind zu schützen und zu erhalten.
8. Schlussfolgerung
Der Ersatzneubau des Juraleitung widerspricht den Zielen und Grundsätzen der Raumordnung. Die landesplanerische Beurteilung für dieses Vorhaben muss negativ ausfallen. Der Markt Essenbach lehnt daher den geplanten Ersatzneubau des Juraleitung in seiner Gesamtheit ab.